1.
Bewegung konsequent von einem bestimmbaren Ort an der Körperoberfläche anzuführen ist eine herausfordernde Übung in Präsenz, Ausdauer und Genauigkeit. Es geht darum, die Aufmerksamkeit dort zu sammeln und zu halten – auch bei komplexen Bewegungsabläufen.
Dieser Ansatzpunkt der Bewegung ist ein bleibender Bezugspunkt. Er lässt sich zum Glück jederzeit wiederfinden; wir können also immer neu beginnen, wenn er verloren geht.
2.
Ist der Ansatz der Bewegung geklärt, stellt sich die Frage, wie sich die Spuren, die wir in den Raum zeichnen, nach innen auswirken. Die Tiefendimension ist angesprochen und erschließt sich nach und nach: Einzelne Gelenke, ihr Zusammenspiel, Muskel- und Faszienketten, Reaktionen der Organe, d.h. viele Beziehungen und Verbindungen im Körper lassen sich auf diese Weise erkunden. Die Eigenwahrnehmung differenziert sich immer mehr aus.
3.
Mit dieser Art der gespürten bewussten Bewegung setzen wir Zeichen und schreiben uns ein in den umgebenden Raum – eine basale Erfahrung von Dreidimensionalität.
Auf diese Weise wird auch die Beziehung zum Außenraum und der Kontakt zu Anderen behutsam angebahnt. Durch die konkrete Aufgabe, den Ansatzpunkt der Bewegung zu wahren, bleiben wir bei uns. Die Gefahr, sich im Kontakt nach außen zu verlieren, verringert sich.
4.
Bei konsequenter Beibehaltung des Bewegungsansatzes bleibt dennoch viel Spielraum, da im Allgemeinen kein Bewegungsablauf vorgegeben wird. Innerhalb des gegebenen Rahmens sind wir frei, zu experimentieren und vielfältige Zeichen auszuprobieren. Die aufbauende Erfahrung, besonders bei Blockaden, Einschränkungen, Schmerzen, lautet: Es gibt Alternativen. Der Möglichkeitssinn wird geweckt. So können schädigende Gewohnheiten verlassen und neue Muster angebahnt werden.
Die Freiheit, die wir dabei erfahren, hilft auch anzunehmen, was sich nicht ändern lässt, und unausbleibliche Verluste zu verschmerzen.
5.
Durch das Eutonie-Prinzip Zeichnen wird ein kreativer Prozess angestoßen. Er birgt Überraschungsmomente. Nichts bleibt, wie es ist. Vieles ist anders, als wir gedacht haben. Wir erleben manche Veränderung im Laufe konsequenten Übens und erfahren: Es gibt sie, diese Gestaltungskraft in uns.
Eutonie-Akademie Bremen
Renate Riese
Juni 2024